3.3.2020
Reisevorbereitung

Seit Wochen bin ich damit beschäftigt mich gut für diese Reise vorzubereiten. Immerhin durchquere ich mehrere Wochen das Land mit meinem alten Landy, Baujahr 1976. So ist es wichtig, dass wir beide gut aufgestellt sind. Victor alias “Der Engländer” hat sich zwei Tage darum bemüht den Wagen auf Vordermann zu bringen. Und ich bin ihm unendlich dankbar, dass er sich so liebevoll und aufmerksam eingesetzt hat. Und Victor hat so einiges noch gefunden, das eingestellt oder getauscht werden musste. Jetzt schnurrt der Motor wie noch nie und ich bin guter Hoffnung, dass wir weitgehend pannenfrei die ca. 5.000 km bewerkstellen werden.
Zum ersten Mal bin ich durchgehend sechs Wochen auf Achse. Für mich ist es eine kleine Expedition auf die ich mich schon sehr freue aber auch gespannt bin, wie es mir dabei geht. Ausgestattet bin ich ganz gut: Wasser, Kühlbox, Solar, Ersatzteile, Benzin …. Also ein kleines Expeditionsfahrzeug.
4.3.
Die Route

Soweit ich mal geplant habe, fahr ich am 8. März ganz gemächlich Richtung Genua. Ich will es langsam angehen. Das Tempo gibt ohnedies der Landy vor. Und sehr viel mehr als 80 km/h werden’s sicher nicht werden.
Dann geht es auf der Fähre über Barcelona nach Tanga. Das wird gleich mal spannend. Denn bei all der Hysterie wegen der Grippe, befürchte ich, dass beim ersten Huster das Schiff unter Quarantäne gesetzt wird. Wenn nicht, komme ich zwei Tage später in Tanga, Marokko an.
Grob ist eine Rundreise durch Marokko geplant. Aber ich möcht mir Zeit und Ziel weitgehend offen lassen. Fix ist jedoch, dass ich Mohamed in Mhamid an der Sahara besuchen möchte.
Später dann, über Tanga, Genua wieder zurück ins Kamptal.
8.3.
Startschwierigkeiten

Der Frust am Tag der Abreise war groß. In den Morgennachrichten wurde verkündet, dass Italien in der Nacht auf den Sonntag große Teile Norditaliens abgesperrt haben. Corona Quarantäne. Super. Wie soll ich jetzt die Fähre in Genua erreichen. Nur mehr zwei schmale Streifen blieben in der Landkarte frei, über die man noch nach Italien einreisen konnte.
Der erste Gedanke. Absagen. Ein Telefonat mit dem Aussenministerium macht die Entscheidung nur schwerer. Niemand kann vorhersagen, ob nicht auch die verbleibenden Regionen in den nächsten Tagen gesperrt werden. Kein Ein- und Ausreisen würde heißen, stecken bleiben oder für die nächsten Wochen in Italien festsitzen.
Also welche Optionen blieben mir über. die zwei einzigen Ausweichrouten über die Schweitz oder südlicheres Italien nehmen. Gleich über Frankreich oder Spanien ausweichen. Oder ganz abbrechen.
Ich hab mich entschieden, erstmals die Werkstatt aufzuräumen. Wie sagt man so schön. Eine Übersprungshandlung setzen. Alle Vorbereitungen waren getan, das Auto gepackt, die Familie wartete auf eine Entscheidung. Zwei Stunden später hab ich mich durchgerungen. Ich fahre und schmeiß jetzt nicht alles in letzter Minute hin. Corona hin oder her. Ich nehme die Route mitten durch Italien bis runter nach Florenz und dann wieder nordwärts nach Genua. Immer noch besser als der noch längere Umweg über die Schweitz oder gar Frankreich oder Spanien.
Gegen Mittag nun der große Moment und der schwere Abschied von meinen Liebsten. Die Corona Epedemie hat noch ein gehöriges Schauferl daraufgelegt den Vater schweren Herzens und mit einem mulmigen Gefühl ziehen zu lassen.

Ich setze mich in meinen Landy, grinse aus dem Fenster, winke, will starten. Nichts. Ich hab die Zündung laufen lassen. Betterie leer. Noch mehr Startschwierigkeiten kann es jetzt nicht mehr geben. Natürlich geht einem in diesem Moment durch den Kopf. Es will einfach nicht sein. Weg mit diesem Gedanken und weiter im Programm. Starterkabel organisieren und nach einer weiteren Stunde endlich auf Achse. Dass der Benzintank auch leer war, verrate ich euch jetzt nicht mehr.
9.3.
Corona Korridor

Die Fahrt über den Brenner war wohl nie so entspannt wie dieser Tage. Ich teilte mir die dreispurige Autobahn mit einigen Lastwagen und vereinzelten Pkws. Stressfrei überholte ich mit 50 km/h schwer beladene Sattelschlepper, auch wenn dies einige Zeit in Anspruch nehmen sollte. Es hat sich herausgestellt, dass meine Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h sich harmonisch in die Reisegeschwindigkeit der Lkws eingliedert. Ich fühlte mich gut aufgehoben zwischen alle den großen Brummern. Sie haben mich begleitet und beschützt, wir waren Kumpanen auf den einsamen Straßen quer durch ein infiziertes Land, umgeben von unsichtbaren roten Sperrzonen.
Kaum den Brennerpass hinter mich gelassen, rief mich eine Freundin aus Bozen an. Sie wurde benachrichtig, dass ihr Sohn mit einer Person mit Verdacht auf Coronavirus in Kontakt war und es sein könnte, dass ihre Familie in Quarantäne gehen muss. Der Plan bei ihnen zu Übernachten war somit keine gute Idee mehr, auch wenn wir uns seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Andererseits war es mir gar nicht so unrecht, denn ich wollte Kilometer machen, mich so weit wie möglich in den Süden begeben.
Bis an den Gardasee habe ich es gebracht. Dann war ich zu müde und strapaziert vom Ritt über den Highway. Bei 80 km/h wird der Landy schon recht laut. Alles vibriert und krächzt. Nur bei voller Lautstärke kann meine Musikbox den Lärm noch übertönen. Die Pausen sind dann nicht nur für die Glieder, sondern auch für die Ohren eine Wohltat.
Ich stellte das Fahrzeug auf einem kleinen Parkplatz mit einem wunderschönen Blick über den See ab und suchte mir übers Internet eine Bleibe. Die angebotenen Übernachtungspreise, wie zu erwarten war, überaus günstig. Ich landete in einer einfachen Pension in Riva del Garda an der Nordseite des Sees unweit vom Zentrum entfernt.
Einsam spazierte ich am Abend durch die Altstadt auf der Suche nach einem Restaurant. Die wenigen geöffneten Lokale waren leer, vereinzelt ein paar Gäste, die Wirte und Kellner spielten Karten oder nutzten die frei Zeit aufzuräumen. Nichts zu spüren von dem sonst üblichen blühenden Leben einer italienischen Stadt.


In der Pension zurückgekehrt erwarteten mich zahlreiche Nachrichten. Die rote Sperrzone wurde auf ganz Norditalien ausgeweitet. Damit hatte ich nicht gerechnet, dass die italienische Regierung die einzige Nord-Südverbindung kappen wird. Einer meiner besten Freunde hielt mich am Laufenden über die Entwicklungen und stündlich neuen Maßnahmen. Er riet mir sofort umzukehren, noch kann ich nach Österreich zurückkehren, die Grenze wird zwar kontrolliert, ist aber frei. Gerade von ihm hätte ich nicht erwartet, mich von meinem Abenteuer abzuhalten. Ein Grund mehr hellhörig zu werden und nicht stur meine Pläne weiterzuverfolgen. Ich entschied mich nochmals darüber zu schlafen und in der Früh die Lage genauer zu studieren.
10.3.
Italien im Ausnahmezustand

Ich bin schon mit Herzklopfen aufgewacht. Wieder muss ich entscheiden, ob ich meine Reise abbreche. Es ist Dienstag, am Donnerstag um 12 Uhr soll die Fähre von Genua nach Marokko ablegen. Noch besteht für die Region um Genua keine Reisewarnung. Es stellt sich für mich die Frage soll ich die Flucht nach vorne wagen oder so schnell wie möglich zurückkehren. Eines ist sicher, raus aus dem roten Sperrgebiet.
Mein Gastgeber hat sich für mich bei der Rederei in Genua informiert. Alle Fähren verkehren planmäßig, es spricht nichts dagegen, dass ich in zwei Tagen auf die Fähre auffahren kann. Aber wie die letzten Tage gezeigt haben, kann sich die Situation schnell verschärfen. Auch Österreich, mit gerade mal 150 Coronainfiszierten, hat bereits drastische Maßnahmen für die nächsten Tage angekündigt.Ich drehe verzweifelt auf der Terrasse meine Runden, rauche eine Zigarette nach der Anderen, ringe nach einer Entscheidung, meine Gedanken kreisen und und finden keinen Halt. Ich packe meine Sachen, setz mich ins Auto und hoffe auf den ersten Kilometer Klarheit zu finden. Ich kehre zu dem Aussichtsplatzerl zurück, das ich Tags zuvor gefunden habe, doch auch der weite Blick über den ruhig daliegenden See gibt mir keine Antwort. Die Vernunft sagt umkehren, mein Wunsch Marokko erreichen zu können sagt nicht aufgeben.
Via Facebook und WhatsApp bin ich in ständigem Kontakt mit meiner Familie und all den lieben Freunden die aufmerksam meine Reise beobachten und kommentieren. Ermunterungen und Glückwünsche überwiegen, doch entscheiden muss ich ganz allein.
Dann der Ruck, ich fahre weiter, versuche mein Glück und spekuliere damit, dass die Fähre in zwei Tagen ablegen wird. Heimfahren kann ich immer noch und die 14 tägige Quarantäne ist mir jetzt schon sicher. Den ursprünglichen Umweg über Florenz kann ich mir jetzt sparen, da ich mich ohnedies schon mitten im Sperrgebiet befinde. Bis nach Genua sind es 360 km, fast durchgehend Autobahn. Von meinem Gastgeber weiß ich, dass die Straßen frei sind und nicht kontrolliert werden. Ein Arzt ist am Vortag aus Mailand angereist und hat berichtet, dass entgegen allen Medienberichten keinerlei Sperren eingerichtet wurden. So kann ich Genua noch heute erreichen. Einen Tag früher als geplant.

Um 15:30 parke ich den Landy am Hafen in Genua. Wie gehofft habe ich keine einzige Sperre passieren müssen, auf dem ganzen Weg bin ich nur einem einzigen Polizeifahrzeug begegnet. So stellt man sich rote Sperrgebiete nicht vor. Vor allem wenn man die dramatischen Medienberichte über Italien liest. Genua selbst liegt ausserhalb dieses Sperrgebietes und am ersten Blick scheint hier das Leben ganz normal weiterzugehen. Es scheint die Sonne, die Straßen sind belebt und alle Geschäfte geöffnet.
Ich beziehe ein Hotelzimmer, setzte wieder zahlreiche Nachrichten ab, dass ich gut und ohne Probleme in Genua eingetroffen bin und lege mich mal für ein Stunde aufs Ohr. Jetzt kann ich ausspannen.
10.3.
Genua bei Nacht

Ich freu mich darauf Genua zu erkunden. Ich bin zum ersten mal in dieser spannenden Stadt. Die Häuser ziehen sich den steilen Hang hinter der Küste entlang, getrennt von mehrstöckigen Straßenüberbrückungen. Der gesamte Küstenstreifen ist von einem nicht endend wollenden Hafen dominiert. Überall Fähren, Kreuzfahrtschiffe, Werften.
Am Weg in die Altstadt fällt mir auf, dass kein einziges Restaurant oder Bar geöffnet hat. Für eine italienische Stadt ist es unglaublich ruhig hier. Zum ersten Mal bekomme ich die Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus zu spüren, geschlossene Rolläden, dunkle Straßen und kaum Menschen die auffällig Abstand voneinander halten. Manche die sich mit Masken und Handschuhen schützen wollen oder ihren Schal über das Gesicht ziehen.
Mein Magen knurrt und ich halte verzweifelt Ausschau nach einem Supermarkt. Nichts zu entdecken. Ein Burger King hat die Hintertüre für Boten geöffnet. Es dürfen immer nur drei Personen das Lokal betreten, halten 2-3 Meter Abstand voneinander, die Anderen warten draußen. Über Google Maps finde ich einen Markt, der noch bis 22 Uhr geöffnet hat. Gut versteckt und ohne Navigationshilfe kaum zu finden. Jegliches Urlaubsgefühl verflüchtigt sich und wird von der Ausarbeitung von Überlebensstrategien abgetauscht.
Der Supermarkt ist gut sortiert. Nur Brot gibt es kaum mehr, sonst mangelt es an nichts. In den schmalen Gängen fällt es den Kunden schwer einen Sicherheitsabstand einzuhalten. Misstrauisch beäugelt man sich gegenseitig, jeder hier kann ein vermeintliches Risiko mitbringen. In meinem Einkaufswagen befindet sich Brot, Käse, Prosciutto, Bier und eine Flasche Grappa. An der Kassa ist mit Klebeband ein Sicherheitsabstand von einem Meter am Boden markiert. Zahlen und nicht wie raus hier.

Am Weg zurück zum Hotel suche ich eine Parkbank, um zumindest für kurz innezuhalten und die Stadt auf mich wirken zu lassen. Ich öffne ein Bier und zünd mir eine Zigarette an, denk mir, dass man als Raucher nur schwer die Vorsichtsmaßnahmen einhalten kann. Unweigerlich führt man die Hand ans Gesicht ohne sich vorher die Hände waschen zu können. Meine Jause heb ich mir für später auf. Lieber möchte ich mich im Hotel zuvor ausgiebig reinigen.

11.3.
Kurze Entspannung

Mittwoch, 11. März. Ich habe heute den ganzen Tag Zeit ein paar wenige Dinge zu erledigen. Erstmals keine Kilometer auf der Autobahn abspulen. Entspannung sollte sich einstellen und meine Reise kann nun endlich beginnen. Der Landy braucht ein kleines Service und für die zweitägige Überfahrt möchte ich mir noch ein italienisches Lunchpaket zusammenstellen.
Ein Land Rover Vertreter befindet sich unweit vom Hafen, so kann ich Werkstatt und Erkundung der Zufahrt zur Fähre miteinander verbinden. Ideal. Ich versuche mein Glück unangemeldet bei Land Rover einen Termin zum Bremsen entlüften zu bekommen und spekuliere mit Sympathie, wenn ich mit meinem Oldtimer dort einfahre. Bremsen entlüften ist eine Angelegenheit von vielleicht 30 Minuten. Falsch eingeschätzt. Am Empfang werde ich auf die markierte Linie am Boden hingewiesen, Abstand halten. Nein, sie haben leider keine Möglichkeit mich einzuschieben. Der Mann am Schalter ist noch so zuvorkommend, bei einer zweiten Werksattt anzurufen, leider auch ohne Erfolg. Land Rover Solidarität hab ich mir anders vorgestellt. Wurst. Ich bin mir sicher, dass ich mit meinem Anliegen in Marokko mehr Glück haben werde.
Ich parke mich beim Hafen ein, löse einen Parkschein für zwei Stunden, da sich im Hafengebäude auch ein Einkaufszentrum befindet, kann ich gleich alles auf einmal erledigen. Der Check-In der Rederei GNV ist nicht zu übersehen. Zur Sicherheit frage ich am einzig geöffneten Schalter nach, ob die Fähre weiterhin planmäßig verkehrt. “Sorry, der Fährbetrieb wurde heute eingestellt. Kein einziges Schiff darf bis zum 3. April den Hafen verlassen” Mit einem Schlag wurde ich wieder in dieses schon bekannte Gefühl der Verzweiflung und Unsicherheit gestossen. Die Fähre von Séte in Frankreich verkehrt aber weiterhin und legt am Samstag ab, erfahre ich und erhalte eine Emailadresse für die Umbuchung meines Tickets.

Ich suche mir einen geeigneten Platz am Gelände, um meine Gedanken zu sortieren und den nächsten Schritt zu planen. Am Parkplatz mit Blick auf das festsitzende Fährschiff setz ich mich auf einen Betonpöller, spiele alle Optionen durch. Italien so schnell wie möglich zu verlassen war einmal fix. Nichts hält mich mehr in diesem verseuchten Sperrgebiet. Ab nach Frankreich, die Grenze ist nur 150 km entfernt, ob sie noch frei passierbar ist, aber fraglich. Wieder mal telefoniere ich mit dem Aussenministerium, wahrscheinlich haben sie schon meine Telefonnummer gespeichert. Die Grenzen nach Österreich sind weiterhin frei, für Österreich sollte immer eine Rückreise möglich sein. Wie sich die aktuelle Situation auf der Grenze zwischen Italien und Frankreich gestaltet, können wir auch nach dreimaligen verbinden nicht eruieren. Ich ruf am französischen Konsulat in Wien an. Am Mittwoch kein Telefondienst verratet mir das Tonband. Auch gut in Krisenzeiten. Bis jetzt hat sich gezeigt, dass Sperrgebiete keine Sperren beinhalten, also ab nach Frankreich.

Zurück ins Hotel, die Zelte abbrechen. Der Gastgeber zeigte sich verständlich und verrechnete nur eine Nacht. Ich packe meine wenigen Sache und setz mich wieder ins Auto. Früher als erwartet liegen erneut einige Autobahnkilometer vor mir. Ich dreh meine Musik auf, um mich zu beruhigen. Passendlos ertönt “Let it be” von den Beatles aus dem Lautsprecher.
Nach drei Automatentankstellen, die partout meine Bankomatkarten nicht akzeptieren wollten, gebe ich auf und entscheide auf der Autobahn zu tanken. In Italien kostet der Benzin auf der Autobahn unwesentlich mehr, bieten dafür Service und eine ganz normale Kassa an.
11.3.
Riviera und Cote d’Azur

Der Landy und der Andy sind auf der Autobahn schon ein eingespieltes Team. Mit einem 44 Jahre alten Geländewagen im Eiltempo, wenn man das überhaupt so nennen darf, über die Autobahn zu preschen ist wirklich kein Vergnügen, aber man gewöhnt sich daran. An dieser Stelle ein ganz großes Lob an meinen Partner. Er hat die ersten 1000 Kilometer ohne Probleme abgespult, ohne Murren oder Pannen. Und er ist wirklich nicht für solche Ausfahrten konzipiert und gebaut worden.
Die Autobahn schlängelt sich auf Stelzen und durch zahlreiche Tunnels entlang der Riviera. Viel bekomme ich trotzdem nicht von der Schönheit der Küste mit, mein Blick ist nach vorwärts gerichtet und ich zähle die Kilometer bis zur französischen Grenze. Ein Klacks nach den Etappen der letzten Tage.
Nach zwei Stunden passiere ich die französische Grenze. Wie immer, keine Kontrollen oder Sperren. Nichts wie runter von der Autobahn, ich will die Küste spüren. Vielleicht doch die falsche Entscheidung. Drei Polizisten halten mich auf und fragen nach meinem Pass. Nur mit den Fingerspitzen nimmt einer der drei freundlichen Herren meinen Pass entgegen. Französische Vorsichtsmaßnahme. Nachdem ich versuche zu erklären, dass ich aus Österreich komme und Italien durchquert habe, lassen sie mich weiterziehen.
Menton ist die erste französische Stadt nach der Grenze. Das letzte mal war ich vor gefühlten 30 Jahren hier und ich habe nur wunderschöne Erinnerungen daran. Ich setz mich auf ein Bier an der Promenade und bemerke welch Anspannungen an mir abfallen. Ich fühl mich frei und von den Franzosen gerettet. Ich genieße diesen Moment in vollen Zügen bevor ich den nächsten Schritt setze.
Ganz liebe Freunde haben ein Haus zwischen Nizza und Grasse. Von hier aus gerade mal 50 km entfernt. Ich ruf an, erzähle meine Lage und frage ob ich kommen darf, obwohl ich drei Tage in Italien verbracht habe. Gar kein Problem, gerne, wann kommst du. Ich könnte in circa zwei Stunden bei Euch sein. Ja, komm. Wir sind da.
Ich organisiere mir eine ausgezeichnet gute Quiche zum Essen und fahre eine kurvenreiche, kleine Straße den Hang hinauf, Immer mit dem Blick über die Küste. Das ist Reisen mit einem Landy. Die Freude ist groß, meine Freunde nehmen mich spontan auf, Italien liegt hinter mir und vor mir ein traumhafte schöne Küstenstraße über Monaco, Nizza Richtung Cannes. Meine Stimmung wächst minütlich.
Am Ziel angekommen, werde ich herzlich empfangen. Meine Freunde sind zwar zu einem Abendessen eingeladen, aber ein Zimmer ist schon für mich gerichtet und die Sauna eingeheizt. Das Haus ist mir vertraut, über viele Jahre war ich zum Olivenernten eingeladen. Ich bin zu Hause. Merci beaucoup.
12.3.
Neues Land, neue Chance
Vor fünf Tagen habe ich meine Reise nach Marokko gestartet. Heute um 12 Uhr sollte die Fähre den Hafen von Genua verlassen und ich sitze in Südfrankreich und schmiede neue Pläne, wie ich mein Ziel erreichen kann. Die nächste und letzte Möglichkeit ist der Hafen von Sète, 200 km hinter Marseille. Die Fähre legt am Samstag ab und benötigt für die Überfahrt 48 Stunden, vier Stunden weniger als die Verbindung zwischen Genua und Tanger. Trotzdem kostet das Ticket fast doppelt so viel. Ich schreibe ein Mail an die Rederei mit der Bitte um Umbuchung und ob sie mir preislich entgegenkommen können.
Beim gemeinschaftlichen Frühstück mit meinen Freunden erzähle ich von meiner Odyssee und auf welchem Weg ich Marokko erreichen könnte. Wenn möglich, würde ich noch gerne einen Tag hier verbringen, eine Werkstatt für meinen Landy finden und tags drauf in zwei Etappen die 360 km in Anlauf nehmen. Eine Werkstatt ist schnell gefunden, ein 2CV aus den 60ern und ein Käfer zeigen, dass ich hier genau richtig bin. Mit Hilfe von Handgesten und Google Translate erkläre ich ihm mein Problem. Er versteht mich und schiebt mich ein. Morgen Vormittag kann ich den Landy wieder abholen. Punkt eins erfolgreich erledigt und so scheint es, dass ich langsam aber sicher wieder Fahrt aufnehme.
Ich telefoniere mit zu Hause und berichte meiner Frau wie es mir geht, was alles in den letzten Stunden passiert ist und wie ich meine Reise fortsetzen möchte. In Österreich hat sich in der Zwischenzeit die Lage weiter zugespitzt. Veranstaltungen werden untersagt, Schulen geschlossen und für Freitag sind weitere Maßnahmen geplant. Meine Frau klingt am Telefon extrem verunsichert, sie ist Lehrerin und hat keine Ahnung was auf sie in den nächsten Wochen zukommen wird. Aber wir können uns alle ausrechnen was passieren wird. Herunterfahren der sozialen Kontakte, Einschränkung der Mobilität, Quarantäne für ein ganzes Land. Das Virus ist nicht aufzuhalten und kein Land kann ihm entkommen. Auch ich nicht mit meinem grünen “Flitzer”.
12.3.
Abbruch

Lange, vielleicht zu lange habe ich versucht für meinen Traum zu kämpfen und einen Weg nach Marokko zu finden. Unter diesen Umständen macht es aber keinen Sinn und vor allem keinen Spaß diese Reise fortzusetzen. Die Ungewissheit wie und vor allem wann ich nach Österreich zurückkehren kann, würde mich die ganze Reise lang begleiten. Italien und Österreich befinden sich bereits im Ausnahmezustand, andere europäische Länder werden folgen und Afrika wird auch nicht verschont bleiben.
Jetzt ist der Punkt der Coronakrise erreicht, an dem es gilt andere Prioritäten zu setzen. Anstatt mich dem Risiko auszusetzen, vielleicht Monate lang nicht mehr aus Afrika zurückkehren zu können, mich in ein Land zu begeben, das den medizinischen Herausforderungen nicht gewachsen sein wird, gilt es für meine Familie da zu sein. Zusammenhalten, für einander da sein in einer so schwierigen Zeit. Niemand hätte noch vor fünf Tagen für möglich gehalten, dass dieser Virus in nur einer Woche einen ganzen Kontinent lahm legen kann.
Wie so oft sitze ich vor der Landkarte und tüftle neue Routen aus. Über die Schweiz oder Notfalls über Deutschland sollte die Heimreise möglich sein. In zwei, spätestens drei Tagen könnte ich in Österreich sein und dann quer durch das Land heimwärts ziehen. In Summe 1.500 km, für die ich voraussichtlich fünf Tage benötigen werde. Viel Zeit sollte ich mir dabei nicht lassen, da sich das Virus wesentlich schneller ausbreitet, als ich fahren kann. Ich kann nicht abschätzen welche Grenzen nun wirklich geschlossen werden, aber ich weiss, dass meine Familie mich nun dringend braucht.
Viel kann ich am Nachmittag nicht mehr ausrichten, den Landy bekomme ich erst am Freitag aus der Werkstatt und die Situation auf den Straßen ändert sich ohnedies stündlich. Müßig darüber nachzudenken was morgen sein wird.
Ich helfe ein wenig im Haus, denke viel nach, lese die Nachrichten und spüre, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Auch wenn ich nun meinen Traum für lange Zeit, vielleicht Jahre verschieben muß und unnötig Geld investiert habe, fühle ich mich besser. Ich komme wieder heim.
13.3.
Der Tag meiner Rückreise

Freitag. 6 Wochen hatte ich geplant, 6 Tage sind es geworden. Eine gemütliche Anreise nach Genua war geplant, ein stressiger Autobahnmarathon ist es geworden. Trotzdem trauere ich nicht um meine Abenteuerreise, denn ich hatte wirklich genug Erlebnisse in so kurzer Zeit. Ob oder wann sich wieder die Gelegenheit ergeben wird für sechs Wochen, vielleicht auch länger eine Reise zu organisieren, kann ich heute nicht beantworten.
Meinen Plan über die Schweiz nach Österreich zu reisen, hab ich in der Zwischenzeit auch schon wieder über den Haufen geschmissen. Ich nehme den nächsten Flieger um 15 Uhr und lass den Landy in Opio stehen. Hier ist er gut aufgehoben und wenn die Krise vorbei ist, kann ich ganz ohne Stress zurück ins Kamptal fahren. Zwar werde ich ihn vermissen, so tapfer und brav wie er mich durch die Sperrgebiete gebracht hat.
Ich packe alles ein, was notwendig ist und in eine Tasche passt, bedanke mich für den herzlichen Empfang und reise mit dem Bus Richtung Flughafen Nizza ab. Ein paar Stunden später lande ich bereits in Wien Schwechat. Der Flieger war gerade mal zu einem Drittel besetzt. Fast Jeder hatte eine ganze Reihe für sich. Am Flughafen selbst keinerlei Kontrollen, geschweige denn Fiebermessen oder Registrierung. Wundern tut mich das schon lang nicht mehr.
Meine Kinder sind so lieb und holen mich mit dem Auto vom Flughafen ab, so spar mich mir die weitere Strapaz mit dem schweren Gepäck öffentlich in Stadt zu gondeln. Am Weg ruft mich die Rederei GNV an, dass die Fähre von Sète gestrichen wurde. Auch Marokko hat die Grenzen geschlossen. Also wär auch mein letzter Versuch zum Scheitern verurteilt gewesen. Gut, dass ich umdisponiert hatte.

Zuhause angekommen werde ich noch zögerlich von meiner Frau umarmt. Wie umgehen mit einem Mann der mehrere Tage mitten durch ein infiziertes Land gefahren ist, die Medien ständig vor Italien warnen. Aber die Unsicherheit legt sich bald und wir sind glücklich wieder vereint zu sein.
Vier Tage später, bin ich immer noch gesund und zeige keinerlei Symptome.
Happy end.